Am 29. September 2024 wird in Österreich ein neuer Nationalrat gewählt. 

Pro Choice Austria hat den zur Wahl stehenden Parteien 8 Fragen zum Thema Schwangerschaftsabbruch und reproduktive Rechte gestellt. Geantwortet haben SPÖ, GRÜNE, NEOS, KPÖ und KEINE VON DENEN (auch als WANDEL bekannt). Von ÖVP, FPÖ, Liste Madeleine Petrovic (LMP) und Bierpartei haben wir keine Antworten erhalten. 

Wir dokumentieren alle erhaltenen Antworten hier vollständig und unbearbeitet, eine zusammenfassende Übersicht auf unseren Social-Media-Kanälen. 

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, den Schwangerschaftsabbruch zu entkriminalisieren und ihn als medizinische Leistung anzuerkennen. Wie steht Ihre Partei dazu? Soll der Tatbestand des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden? 

Ja. Für die SPÖ steht fest: Der Schwangerschaftsabbruch muss raus aus dem Strafgesetzbuch. Jede Frau muss das Recht auf einen sicheren, legalen und kostenfreien Schwangerschaftsabbruch haben. Wir wollen Schwangerschaftsabbrüche im Gesundheitsrecht regeln. Als SPÖ setzen wir uns für einen wohnortnahen und kostenlosen Schwangerschaftsabbruch ein. Länder wie Frankreich sind Vorreiter in Sachen körperlicher Selbstbestimmung. Öffentliche Spitäler sind verpflichtet, nach Bedarf, Schwangerschaftsabbrüche als Leistung anzubieten. Ein ähnliches Modell sollte auch in Österreich angedacht werden.

Ja. Jede Frau hat das Recht, selbstbestimmt über ihren Körper zu entscheiden, eine selbstbestimmte Familienplanung muss in Österreich damit selbstverständlich sein. Dazu gehört die freie Entscheidung, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Vor 50 Jahren haben unsere Mütter und Großmütter gegen den Widerstand der Kirche der Konservativen die Fristenlösung durchgesetzt. Jetzt ist es an der Zeit, Schwangerschaftsabbrüche endlich zu entkriminalisieren und sie kostenfrei und in der Nähe des Wohnorts in öffentlichen Spitälern durchzuführen. Dafür kämpfen wir Grüne weiterhin mit vielen Verbündeten.

Eine Legalisierung von Abbrüchen innerhalb der erlaubten Frist wäre lediglich eine legistische Änderung, die eine eher symbolische Wirkung hat. Gerade weil dadurch aber der tatsächliche Zugang durch eine Entstigmatisierung verbessert werden kann, wäre das sicherlich eine praktikable Lösung. 

Kommunistische Parteien setzen sich schon seit Beginn des 20.Jahrhunderts für legale Schwangerschaftsabbrüche ein – als KPÖ sind wir demnach natürlich für die Streichung des Tatbestands aus dem Strafgesetzbuch!

Ja, wir sind für die Streichung aus dem Strafgesetzbuch. Wir halten den Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen für ein grundlegendes Menschenrecht und zentralen Bestandteil reproduktiver Selbstbestimmung. Die Kriminalisierung stellt eine unnötige und gefährliche Hürde für Frauen und Schwangere dar, die sich in einer ohnehin schwierigen Lebenslage befinden. Außerdem fordern wir, dass Schwangerschaftsabbrüche als medizinische Leistung anerkannt und als solche vollständig von der Krankenkasse übernommen werden. Nur so haben alle Frauen gleichberechtigten Zugang zu medizinischer Versorgung haben können ihre Entscheidung frei und selbstbestimmt treffen.

§ 97 Strafgesetzbuch sieht vor, dass Ärztinnen und Ärzte und Personen in Gesundheitsberufen nicht zu einem Schwangerschaftsabbruch verpflichtet werden dürfen, sofern keine Gesundheitsgefahr für die Schwangere vorliegt. Sind Sie für die Beibehaltung dieser „Gewissensklausel“ oder für deren Abschaffung?

Die SPÖ möchte das Recht jeder Frau auf einen sicheren, legalen und kostenfreien Schwangerschaftsabbruch im Gesundheitsrecht regeln und § 97 Abs. 2 StGB ins Gesundheitsrecht überführen. Das französische Modell, bei dem öffentliche Krankenhäuser verpflichtet werden Schwangerschaftsabbrüche als Leistung anzubieten, würde automatisch ein größeres Angebot schaffen.

Ja. Wir sind für die Abschaffung im Zuge einer grundsätzlichen Reform. Wir fordern flächendeckende, kostenlose und straffreie Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch und setzen uns daher für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ein. Jede ungewollt schwangere Frau muss in Österreich eine sichere Möglichkeit für einen kostenfreien Schwangerschaftsabbruch in Wohnortsnähe haben. Eine „Gewissensklausel“ darf nicht dazu führen, dass es zu Versorgungslücken kommt.

Nachdem Schwangerschaftsabbrüche für viele Menschen mit starken, individuellen Moralvorstellungen verknüpft sind, ist die Gewissensklausel sicherlich ein guter Kompromiss und kann ruhig beibehalten werden.

Die KPÖ spricht sich für eine Abschaffung der Gewissensklausel aus, da diese erfahrungsgemäß leider zu einer schlechten Versorgungslage für ungewollt schwangere Frauen führt. 

Wir sind für die Abschaffung der „Gewissensklausel“ im Strafgesetzbuch. Die aktuelle Regelung kann den Zugang zu Abbrüchen erheblich einschränken, besonders in ländlichen Regionen mit wenigen Ärztinnen und Ärzten. Persönliche Überzeugungen einzelner Ärzt:innen dürfen nicht das Recht auf körperliche Selbstbestimmung der Patientinnen beeinträchtigen.

Gleichzeitig führt die Abschaffung der Gewissensklausel zu einer Entstigmatisierung der behandelnden Ärzt:innen. Um diesen Kulturwandel zu ermöglichen, müssen Schwangerschaftsabbrüche auch klarer in den Lernzielkatalogen der Medizinfakuläten verankert werden.

Derzeit müssen ungewollt Schwangere mehrere Hundert bis über Tausend Euro für einen Schwangerschaftsabbruch nach der Fristenregelung zahlen. Sind Sie dafür, dass die Krankenkassen diese Kosten übernehmen? 

Ja. Jede Frau muss das Recht auf einen sicheren, legalen und kostenfreien Schwangerschaftsabbruch haben. Wir wollen Schwangerschaftsabbrüche im Gesundheitsrecht regeln. Schwangerschaftsabbrüche müssen Teil der medizinischen Versorgung sein, daher sollen sie als Kassenleistung angeboten werden. Schwangerschaftsabbrüche sollen flächendeckend, niederschwellig und kostenfrei in ganz Österreich angeboten werden. Die Kostentragung sollte steuerfinanziert über die Länder, als Träger der Krankenanstalten, erfolgen.

JA.
Der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen ist aus unserer Sicht ein Menschenrecht. Es ist inakzeptabel, dass ungewollt Schwangere mehrere hundert bis tausend Euro für einen medizinischen Eingriff zahlen müssen. Ein Schwangerschaftsabbruch darf kein Luxusgut sein. Es ist daher längst überfällig, dass die Kosten dafür von der Krankenkasse übernommen werden. Denn wir wissen schon lange: Den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu erschweren, verhindert sie nicht. Das bringt Frauen nur in unnötig lebensgefährliche Situationen.

Nein. Krankenkassen sind zur Übernahme von Kosten für die Verhütung und Behandlung von Krankheiten zuständig. Nachdem eine Schwangerschaft nicht als Krankheit zählt, sind diese hier nicht in der Pflicht. Dennoch gibt es Situationen, wie beispielsweise nach einer Vergewaltigung, wo es unzumutbar wäre, von einem Opfer die Kosten für einen Abbruch zu verlangen. Wer auf einen Abbruch angewiesen ist, soll auch die Möglichkeit von gestaffelten Zuschüssen nutzen können.

Ob eine Schwangerschaft fortgeführt wird oder nicht, darf niemals an den finanziellen Möglichkeiten der Frauen liegen. Mehrere hundert Euro, die Schwangerschaftsabbrüche in Österreich kosten, sind für viele Frauen eine enorme Hürde. Da Aborte immer noch gesellschaftlich tabuisiert sind, ist es gerade für junge Frauen, die noch nicht erwerbstätig sind, oder erwachsene Frauen, die in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen leben, oft nur sehr schwer möglich, sich das nötige Geld etwa zu borgen. In einem solidarischen Gesundheitssystem müssen die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche von der Krankenkasse übernommen werden. 

Ja. Der Kontostand der Betroffenen darf nicht ihre Entscheidung beeinflussen.

Bisher werden in Österreich Schwangerschaftsabbrüche nicht gemeldet und statistisch erfasst. Dies ist in Europa nur noch in Malta so. Halten Sie eine anonymisierte statistische Erfassung und Weitergabe an die Statistik Austria, wie viele Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, für sinnvoll? 

Nein. Wir lehnen Motivforschungen und andere Hürden, die Frauen in den Weg gestellt werden sollen, um Abbrüche zu verhindern, ab. Schikanen oder Verbote von Abbrüchen gefährden Frauenleben.

Das Motiv, eine ungewollte Schwangerschaft beenden zu wollen, ist schlicht, eine ungewollte Schwangerschaft beenden zu wollen – nicht mehr und nicht weniger. Hinter der Forderung nach Motivforschung zu Schwangerschaftsabbrüchen verbirgt sich üblicherweise ein bevormundendes Frauenbild das Frauen die Befähigung abspricht, selbstbestimmte und gut informierte Entscheidungen über den eigenen Körper zu treffen – dies lehnen wir daher ab.
Wir stehen dagegen für legale, sichere und kostenfreie Schwangerschaftsabbrüche in Wohnortsnähe sowie umfassende Beratungs- und Betreuungsangebote für ungewollt Schwangere ein. Denn Schwangerschaftsabbrüche sind in Österreich nach wie vor privat zu bezahlen und für viele ungewollt Schwangere eine finanzielle Belastung. Würde, wie bereits in vielen europäischen Ländern üblich, die Krankenversicherung die Kosten tragen, würden wir sicheren Abbrüchen für alle Frauen in Österreich einen großen Schritt näherkommen und nebenbei wären so auch Daten für statistische Erfassungen rund um das Thema Schwangerschaftsabbrüche verfügbar.

Eine Erhebung durch durchführende Ärzt:innen wäre sicherlich praktisch, damit auch bessere Daten zur Abschätzung von Häufigkeiten und nötigen Verbesserung der Verhütungspolitik möglich sind. Wichtig ist aber jedenfalls, dass diese Daten lediglich auf Leistungen basieren und unabhängig von Situation oder Motivationerhebungen bei betroffenen Frauen durchgeführt werden.

Die Gründe für Schwangerschaftsabbrüche sind höchstprivat und gehen die Statistik Austria wenig an. Expertinnen und Experten, die jahrzehntelang in diesem Feld arbeiten, haben ausreichend Informationen darüber, was die Gründe für Abbrüche sind. 

Durch die von uns geforderte Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen durch die Krankenkasse würden Schwangerschaftsabbrüche ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand automatisch erfasst. Vor einer statistischen Auswertung durch die Statistik Austria muss sichergestellt werden, dass die Daten absolut anonymisiert werden. Eine zusätzliche Motivforschung lehnen wir ab; dazu gibt es bereits ausreichend qualitative Studien; alle Verbesserungsvorschläge für die Situation von Frauen liegen schon lange vor.

In Deutschland wurde 2024 ein Gesetz gegen sogenannte Gehsteigbelästigung durch Abtreibungsgegner*innen eingeführt. Sollte Österreich ebenfalls entsprechende Schritte setzen? 

Die Sicherheit und Selbstbestimmung von Frauen sind nicht verhandelbar. Die SPÖ fordert seit langem Schutzzonen und sensible Geldstrafen für Fundamentalist:innen, die durch aggressives Verhalten Frauen in einer sensiblen Lebenslage terrorisieren und verunsichern. In Wien gibt es bereits ein funktionierendes Modell mit Schutzzonen und Strafen sind bei Übertretungen landesgesetzlich verankert. Dieses muss bundesweit umgesetzt werden, damit keine Frau in ihrer höchstpersönlichen Entscheidung über ihren eigenen Körper beeinflusst wird.

JA.
Für uns Grüne braucht es in Österreich dringend effektive Schutzzonen vor Kliniken und einen neuen Verwaltungsstraftatbestand nach deutschem Vorbild gegen Gehsteigbelästigung durch Abtreibungsgegner:innen. Wir haben unsere diesbezüglichen Forderungen jüngst an das Bundesinnenministerium gestellt. Wirksame Schutzmaßnahmen gegen Belästigungen und Schikanen gegenüber ungewollt Schwangeren, Paaren und medizinischem Personal sind längst überfällig – wir Grüne setzen uns vehement dafür ein, dass dies in ganz Österreich Realität wird. 

Eine ähnliche Regelung wäre zum Schutz von Frauen in der ohnehin herausfordernden Situation rund um einen Schwangerschaftsabbruch sicherlich von Vorteil.

Ein Gesetz gegen Gehsteigbelästigungen ist bestimmt solange sinnvoll, wie Abbrüche in Spezialkliniken vorgenommen werden. Würde Österreich den Forderungen zahlreicher Frauenorganisationen entsprechen und die Abtreibungspille rezeptfrei ausgeben, würden sich diese Belästigungen ohnehin sehr stark reduzieren. Außerdem können Abtreibungen medizinisch in allen gynäkologischen Kliniken vorgenommen werden – auch so würde die Zahl der Belästigungen wahrscheinlich stark sinken.

Ja und zwar sofort. Niemand sollte auf dem Weg zu einer medizinischen Einrichtung, insbesondere in einer ohnehin schon belastenden Situation wie einem Schwangerschaftsabbruch, belästigt, eingeschüchtert oder verurteilt werden.

Gehsteigbelästigungen durch Abtreibungsgegner*innen stellen eine erhebliche Verletzung der Privatsphäre und der persönlichen Entscheidungsfreiheit dar.

Sind Sie für eine Kostenübernahme bei Verhütungsmitteln?

Ja. Die SPÖ setzt sich für einen kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln ein. Allzu oft entscheiden die finanziellen Möglichkeiten darüber, welche Verhütungsmethode angewendet wird. Jede Frau soll frei wählen können, welche Methode für sie passt. Weiters fordern wir die kostenlose Bereitstellung von Hygieneprodukten am Arbeits- und Ausbildungsplatz sowie in allen öffentlichen Toiletten. Außerdem wollen wir das Selbstbewusstsein von Mädchen durch Enttabuisierung der Menstruation und Aufklärung, etwa an Schulen sowie durch öffentlichkeitswirksame Sensibilisierungskampagnen, stärken.

JA.
Kostenlose Verhütungsmittel unterstützen eine selbstbestimmte Familienplanung, reduzieren die Anzahl ungewollter Schwangerschaften und schützen vor übertragbaren Geschlechtskrankheiten. Viele Menschen, insbesondere Frauen, können sich aber einfach keine sicheren Verhütungsmittel leisten. Sie greifen dann zu günstigeren, weniger sicheren Methoden oder verhüten im schlimmsten Fall gar nicht. Und das können wir nicht akzeptieren. Für eine selbstbestimmte Sexualität ist es daher dringend notwendig, dass alle Menschen in Österreich unabhängig von ihrem Kontostand Zugang zu sicheren Verhütungsmitteln haben.
Durch die neue Verhütungsstudie und unser Pilotprojekt in Vorarlberg, durch das 3.500 Frauen Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln erhalten, stärken wir die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Frauen und gewinnen wichtige Erkenntnisse darüber, wie wir gratis Verhütungsmittel österreichweit ausrollen können.

Zumindest für Jugendliche sollten Verhütungsmittel jedenfalls gratis zur Verfügung stehen. Der Mangel an eigenen finanziellen Möglichkeiten und oft auch Scham gegenüber den Eltern oder schlimmerenfalls Verbote, seine Sexualität auszuleben, erschweren den Zugang zu Verhütung oftmals. Gerade in jungen Jahren ist das Bewusstsein für Krankheiten aber noch weniger ausgeprägt und ungewollte Schwangerschaften haben weitreichendere Folgen, als wenn informierte und auch verdienende Personen mit Entscheidungen konfrontiert werden – der kostenlose Zugang zu Verhütungsmitteln stellt damit auch einen Baustein dar, wie Menschen ihre Sexualität sicher und selbstbestimmt entdecken können.

Damit diese Verhütungsmittel flächendeckend zur Verfügung gestellt werden können, wäre eine Abgabe über Schulen (inklusive Berufsschulen) und potenziell auch Freizeiteinrichtungen, Jugendcafes etc denkbar. 

Ja! In zahlreichen europäischen Ländern wird Verhütung als essenzieller Teil von Frauengesundheit gesehen. Auch in Österreich darf Verhütung nicht am Geld scheitern, vor allem aber sollen sich Mädchen und Frauen auch für sichere Verhütungsmittel entscheiden und nicht für diejenigen, die sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt leisten können.

Ja, zumindest für alle unter 25-Jährigen und Frauen mit geringen Einkommen. Der Nutzen übersteigen die Kosten bei weitem: weniger ungewollte Schwangerschaften, weniger Geschlechtskrankheiten, keine Scham beim Einkauf mehr, etc

Ist mehr Sexualbildung an Österreichs Schulen und in Einrichtungen wie Jugendzentren nötig?

Ja. Die Schule übernimmt schon jetzt eine wichtige Rolle für eine qualitätsvolle und wissenschaftlich fundierte sexuelle Bildung, obwohl diese im Unterricht nur am Rande gestreift wird. Dennoch kann durch die Behandlung im Klassenzimmer und die Kooperation mit beispielsweise Frist-Love-Ambulanzen das Heranziehen von Informationen aus zweifelhaften Quellen verringert werden. Für uns ist daher klar: Schulische sexuelle Bildung ist zu stärken. Die SPÖ fordert bereits länger, dass ein Aktionsplan zur Umsetzung und Sicherstellung zeitgemäßer, flächendeckender Bildungsangebote zu den Themen Sexualität, Verhütung, sowie Schwangerschaftsabbruch in Schulen ausgearbeitet wird. In diesem Zusammenhang soll auch die Verleihung dauerhafter Akkreditierungen für qualitätsvolle Angebote und die ausreichende Finanzierung von externen Anbietern und Beratungsstellen, deren Inhalte mit dem Grundsatzerlass Sexualpädagogik übereinstimmen, durch das Bildungsministerium sichergestellt werden.

Ja. Sexualbildung ist wichtig für Kinder und Jugendliche. Körperwahrnehmung, Körperveränderung, Sexualität und Gefühle spielen beim Heranwachsen eine große Rolle. Sowohl in der Schule als auch außerhalb braucht es zur Vermittlung dieser Themen Profis, die nach modernen Standards arbeiten. Alle Vereine, die Workshops zu Sexualpädagogik an Schulen anbieten wollen, werden seit 2022 von Expert:innen geprüft. Um seriöse Anbieter von unseriösen zu unterscheiden wurden Qualitätsstandards definiert und eine Geschäftsstelle eingerichtet. Die Kriterien orientieren sich an den europäischen Standards der Weltgesundheitsorganisation WHO, der Comprehensive Sexuality Education (CSE) sowie am Unterrichtserlass zur Sexualpädagogik. Grundsätze dabei sind Diskriminierungsfreiheit, Förderung der Gleichheit der Geschlechter, Anerkennung von Diversität, die Achtung der Kinderrechte und die sexuelle und reproduktive Gesundheit. Das unterstützen wir.

Wichtig ist qualitativ wertvoller und wertschätzender Sexualunterricht. Ein gutes Instrument wären daher bessere Kontrollen der anbietenden Vereine – hier kam es in den vergangenen Jahren ja immer wieder zu Berichten über stark ideologisch geprägten Unterricht. Zumindest in den Lehrplänen der Primar- und Sekundärstufe sind umfassende Inhalte der Sexualbildung vorgesehen. Trotz Allem scheint es auch aufgrund der verbundenen Scham oftmals besser zu sein, auswärtige Vereine hinzuzuziehen und nicht dem Lehrpersonal alleine die Verantwortung zu übertragen. Viele Aspekte des Aufklärungsunterrichts haben aber einfach mit Hygiene und Gesundheit zu tun, hier können leicht ideologiebefreite Unterrichtsinhalte und beispielsweise ein stärkerer Fokus im Biologieunterricht eingebaut werden.

Für den eigenen Gestaltungsspielraum wäre es wichtig, Begleitpersonal wie Schulpsycholog:innen, -sozialarbeiter:innen und School Nurses flächenwirksam in Schulen zu haben. Damit können Kinder und Jugendliche eigene Vertrauensverhältnisse für derartige Entwicklungsfragen aufbauen und niederschwellige Unterstützung erhalten.

Die Zahl Infektionen mit sexuell übertragbaren Krankheiten steigt europaweit, es gibt zu viele ungewollt Schwangerschaften. Natürlich ist der Ausbau von Sexualbildung in Österreich dringend nötig.

In den Lehrplänen muss verbindlich verankert werden, dass Sexualpädagogik von externen und speziell ausgebildeten Pädagog:innen kostenlos durchgeführt werden soll. Um eine manipulative Aufklärung (z.B. durch Vereine von Abtreibungsgegner:innen) zu vermeiden, braucht es dafür eine aus Bundesbudget finanzierte Ausbildung mit einheitlichen Standards. Schulform und Standort dürfen bei Aufklärung keine Rolle spielen.

Wie wollen Sie sexuelle und reproduktive Rechte, die laut den Vereinten Nationen zu den Menschenrechten gehören, im Nationalrat vorantreiben, wenn Sie einziehen? Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?

Sexuelle und reproduktive Rechte sind ein unteilbarer und unveräußerlicher Teil unserer Menschenrechte. In einer Zeit der weltweiten ultrakonservativen Wende stellt sich die SPÖ gegen jede Bedrohung und Einschränkung dieser Rechte und fordert sexuelle und reproduktive Gerechtigkeit für alle. Aus diesem Grund erhalten Maßnahmen zur Frauengesundheit einen besonderen Stellenwert. Durch einen Nationalen Aktionsplan Frauengesundheit, wie ihn die SPÖ fordert, könnten auch reproduktive Rechte gestärkt werden. Dabei ist jedes Ministerium im eigenen Wirkungsbereich aufgefordert, Maßnahmen zu setzen. Die Frage der Verankerung von reproduktiven Rechten ist auch eine internationale, weshalb alle Ebenen, von der Entwicklungszusammenarbeit, über Lieferketten, bis hin zur unmittelbaren Situation in Österreich, mitbedacht werden müssen. Empfehlungen werden auch im Rahmen des UN-Weltbevölkerungsbericht jährlich ausgesprochen, dessen Präsentation im Parlament die SPÖ-Parlamentsfraktion auch weiterhin unterstützen wird. Die Österreichische Parlamentarische Gruppe für Sexuelle und Reproduktive Gesundheit und Rechte (#parlandsex), der auch Abgeordnete der SPÖ angehören, leistet hierzu einen besonders wertvollen Beitrag.

Wir unterstützen jede Initiative, die den Ausbau und die Stärkung der sexuellen und reproduktiven Rechte ermöglicht und werden selbst zahlreiche Aktivitäten dafür setzen. Ob wir dies aus der Opposition oder einer nächsten Regierung herausmachen werden, wird durch die Wahlen und die danach stattfindenden Gespräche zur Bildung einer Koalition geklärt werden. Engagieren wollen wir uns jedenfalls unter anderem für die Entkriminalisierung von Abtreibungen und die Verankerung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in der Verfassung. Darüber hinaus setzen wir uns für den kostenlosen Zugang zu Abtreibungen in allen öffentlichen Krankenhäusern, für kostenfreie Verhütungsmittel, für die Legalisierung von „Social Egg Freezing“ sowie für die bereits erwähnte Errichtung von Schutzzonen rund um Abtreibungskliniken und Beratungsstellen und für einen Straftagbestand gegen „Gehsteigbelästigung“ ein.

Es braucht umfassende Weiterentwicklungen im Bereich der Reproduktionsrechte, da diese in vielen Aspekten nicht mehr die Lebensrealitäten und Wünsche der Bevölkerung in der Familienplanung widerspiegeln. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode haben wir deshalb Anträge eingebracht, um alleinstehenden Frauen den Zugang zu künstlicher Befruchtung zu ermöglichen. Auch Samenspenden oder Egg Freezing sind Dinge der Unmöglichkeit und auch wenn der theoretische Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gewährleistet ist, braucht es im praktischen Zugang dringend Verbesserungen.

Zentrale Forderung für ein selbstbestimmtes Leben von Mädchen und Frauen ist die Planbarkeit von Schwangerschaften. Für die KPÖ sind deshalb – wie oben erwähnt – die Forderungen nach kostenlosen Verhütungsmitteln für Mädchen und Frauen und kostenlose, legale Schwangerschaftsabbrüche auf Krankenschein zentrale Forderungen. 

Das größte Hindernis für reproduktive Gesundheit und Rechte in Österreich ist noch immer Frauenarmut und die strukturelle Benachteiligung in unbezahlter Fürsorgearbeit sowie am Arbeitsmarkt. Wir fordern deshalb einen Mindestlohn von 2.200 Euro (im Jahr 2024), den flächendeckenden Ausbau öffentlicher und kostenloser Angebote im Bereich Kinderbetreuung und Pflege von Erwachsenen, sowie eine deutliche Verkürzung der Arbeitszeit ein.

Darüber hinaus braucht es ein wirksames Gewaltschutzpaket, den Ausbau von Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern sowie Männerberatungsstellen, eine kostenlose Ausgabe von Verhütungsmitteln und einen Ausbau der Kassenplätze für weibliche Gynäkolog:innen.