Kurz vor der Wahl zum Wiener Gemeinderat am 11. Oktober 2020 hat Pro Choice Austria gemeinsam mit Changes for Women folgende sechs Fragen zu reproduktiven Rechten und Schwangerschaftsabbruch an die wahlwerbenden Parteien gestellt.

Unter jeder Frage findet ihr die Antworten der Parteien, unbearbeitet und ungekürzt. Von FPÖ, ÖVP, Team HC, BIER und SÖZ haben wir keine Rückmeldung erhalten.

1.) Rechtliche Lage: In Österreich sind Schwangerschaftsabbrüche illegal, bis zum dritten Schwangerschaftsmonat jedoch straffrei. Ungewollt Schwangere und Ärzt*innen werden mit Haft- bzw. Geldstrafen bedroht, wenn sie abtreiben. Werden Sie sich dafür einsetzen, das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch zu entfernen? Wenn ja, wie?

Von Seiten der Sozialdemokratischen Partei ist die Position klar: Frauen haben ein Recht auf Selbstbestimmung – dieses Recht muss unangetastet bleiben. Eine Herausnahme der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch ist anzudenken und entspricht der Beschlusslage der SPÖ. Prioritär ist allerdings, allen Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch benötigen den sicheren und leistbaren Zugang zu ermöglichen.

Ja, dafür setzen wir uns auf Bundesebene ein. Das ist Teil des Grünen Frauenprogramms. Wir setzen uns weiterhin für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ein.

Beim Thema Abtreibung halten wir den österreichischen Weg für eine – auch im internationalen Vergleich – gute Lösung. Diese leugnet die Probleme nicht und gibt Frauen die Möglichkeit, diese oft schwierige Entscheidung zu treffen. Wir streben keine Änderung der derzeitigen Rechtslage an.

Die psychischen und körperlichen Belastungen, die ein Schwangerschaftsabbruch mit sich bringt, sind oft enorm. Zusätzliche rechtliche, soziale und moralische Erschwernisse sind schlichtweg unmenschlich. Daher sollten Abbrüche raus aus dem Strafgesetzbuch und wie jeder andere medizinische Eingriff auf Kosten der Krankenkassen erfolgen. Dafür steht LINKS und wird nicht aufhören auf politischer und aktivistischer Ebene zu kämpfen, bis das erlangt ist.

2.) Versorgung: Viele ungewollt Schwangere reisen nach Wien, weil sie in ihrem (Bundes-)Land keinen Abbruch durchführen lassen können. Was werden Sie tun, damit das Angebot für sichere Abbrüche weiter ausgebaut wird? Wie werden Sie auf Politiker*innen in anderen (Bundes-)Ländern einwirken, um die dortige schlechte Versorgung zu verbessern?

Die Sozialdemokratische Partei setzt sich seit jeher dafür ein, dass Frauen selbstbestimmt über ihren eigenen Körper entscheiden können und Zugang zu bester und leistbarer Gesundheitsversorgung haben. Das gilt nicht nur für Wien, sondern auch für alle anderen Bundesländer. Wien ist dabei immer Fürsprecherin für eine weitere, gute Versorgung in den anderen Teilen Österreichs. Viele Willensbekundungen kommen mit Anträgen aus der Wiener SPÖ-Landesorganisation oder dem Wiener Gemeinderat immer auch zu den entscheidenden Gremien auf Bundesebene, sei es eben parteiintern als auch ins Parlament.

Auf Initiative der Grünen wurde im Juli 2020 der Zulassungsbescheides für das Medikament Mifegyne (Wirkstoff Mifepreston) geändert. Nunmehr ist möglich, das niedergelassen FachärztInnen den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch verschreiben können. Das ist ein Meilenstein für die Frauengesundheit in Österreich, da der bisher häufiger angewandte Abbruch per Operation im Spital durch die Narkose ein höheres Risiko für  die Frauen beinhaltet hat. 

Die Möglichkeit, ungewollte Schwangerschaften durch Schwangerschaftsabbrüche zu beenden, muss für jede Frau in Österreich bestehen, und zwar unabhängig von ihrem Wohnsitz. Gerade im ländlichen Raum ist diese Möglichkeit in Österreich realiter häufig nicht gegeben. Wir fordern, dass es eine adäquate Unterstützung und die Möglichkeit der Behandlung in jedem öffentlichen Krankenhaus geben muss. In diesem Zusammenhang befürworten wir die neue Regelung, dass die Abtreibungspille Mifegyne nun auch von niedergelassenen Ärzten verschrieben werden kann. Zuvor wurde sie nur in Krankenhäusern abgegeben. So ist die medizinische Versorgung auch zB in Krisenzeiten wie aufgrund von Covid-19 und in ländlichen Gebieten gesichert.

Solange die Forderung von Schwangerschaftsabbrüchen als Kassenleistung nicht umgesetzt ist, setzt sich LINKS dafür ein, dass seitens der Stadt Wien anonyme und öffentliche Beratungszentren geschaffen und finanziert werden, die Abbrüche durchführen. Ob in der Stadtregierung oder der Opposition: Für uns ist das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper ein Kernthema. Als junge (Gründung im Jänner), bisher nur in Wien verankerte Partei ist unser Einfluss auf Politiker*innen anderer (Bundes)länder gering. Dennoch werden wir alles in unserer Macht stehende tun, um dieses Grundrecht überall durchzusetzen.

3.) Kosten: Die hohen Kosten für einen Abbruch sind eine enorme Belastung für ungewollt Schwangere. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Abbruch eine öffentlich finanzierte Gesundheitsleistung wird? Wenn ja, wie? Welche finanzielle Unterstützung wollen Sie ungewollt Schwangeren in der Zwischenzeit zur Verfügung stellen?

Eine Frau kann nicht dazu verpflichtet werden, ein Kind auszutragen, obgleich es ihre ökonomischen oder privaten Umstände schlichtweg nicht ermöglichen. Es ist ihr Körper, ihr Leben und damit ihr persönlicher Entschluss. Sie entscheidet, ob sie ein Kind will, oder nicht bzw. ob es in ihrer jetzigen Lebensrealität passt, ein Kind zu bekommen. Und deshalb muss anerkannt werden, dass – genauso wie eine ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft – auch das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch im Falle einer ungewollten Schwangerschaft als Teil der medizinischen Grundversorgung gewährleistet sein muss! In Wien gibt es Unterstützung für Frauen, die in einer finanziellen Notlage sind.

Ja, das sollte die Krankenkasse künftig übernehmen. 

Die freie Entscheidung einer Frau, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, darf nicht von ihrer finanziellen Lage abhängig sein. Sexuelle und körperliche Selbstbestimmung muss oberstes frauenpolitisches Ziel sein. Schwangerschaftsabbrüche sollen daher von der Krankenversicherung getragen werden.

LINKS fordert wie gesagt den Schwangerschaftsabbruch zur Kassenleistung zu machen. Das ist eine unbedingte Notwendigkeit, die nicht oft genug unterstrichen werden kann. Bis dieser jedoch umgesetzt ist, sollen die oben angesprochenen anonymen städtischen Beratungszentren selbstverständlich kostenlos Abbrüche durchführen. Darüber hinaus fordert LINKS, dass neben rein physischer Betreuung auch eine psychologische Begleitung allen Betroffenen sehr niederschwellig zur Verfügung steht – und das kostenlos und mehrsprachig.

4.) Stigma: Wie wollen Sie der Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen entgegenwirken?

Die Sozialdemokratische Partei setzt sich auf allen Ebenen und in allen Verästelungen vehement für eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ein, sei es u.a. mit Bewusstseinskampagnen, Teilnahmen an Demonstrationen, Diskussionsveranstaltungen, Willensbekundungen in Form von Anträgen und eben konkreter Hilfestellung von betroffenen Frauen. Die Stadt Wien setzt sich ebenso, geführt vom sozialdemokratischen Bürgermeister dafür ein, dass Frauen gut beraten und betreut werden, sollten sie sich für einen Abbruch entscheiden.

Für uns sind Rechte auf reproduktive und sexuelle Gesundheit, und die damit einhergehende Selbstbestimmung, Grundlage der körperlichen Integrität von Frauen und Mädchen und damit Menschenrecht. Wir werden hier keinen Millimeter weichen!

Schwangerschaftsabbrüche müssen als wichtiger Bestandteil der sexuellen und reproduktiven Frauenrechte diskutiert werden. Dahingehend gilt es einen öffentlichen Diskurs zu führen und Informationen müssen diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt werden.

Wir wissen, dass die von LINKS geforderte Streichung aus dem Strafgesetzbuch und die Durchführung als Versicherungsleistung wichtige Schritte sind, aber nicht ausreichen werden. Deshalb sind viele unserer Aktivist*innen schon seit Jahren auch bei den Protesten gegen die fundamentalistischen Einschränkungsversuche des Rechts auf Selbstbestimmung dabei. Insgesamt ist es LINKS wichtig das Thema konsequent und offen zu kommunizieren, um der Stigmatisierung entgegen zu wirken.

5.) Belästigung: In Wien demonstrieren immer wieder fundamentalistische Gruppen gegen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung für Schwangere, auch vor Kliniken. Die derzeitige Praxis einer polizeilich angeordneten zweiwöchigen Wegweisung ist ungenügend. Werden Sie gegen solche Demonstrationen Stellung beziehen? Welche Schritte wollen Sie setzen, damit ungewollt Schwangere vor Kliniken nicht durch fundamentalistische Demonstrant*innen belästigt werden?

Das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch darf sich nicht nur auf die formale Möglichkeit eines solchen Eingriffes beziehen, sondern muss ebenso Schutz vor psychischer Gewalt umfassen. Keine Frau, die eine Schwangerschaft abbrechen möchte, soll sich als „Mörderin“ oder ähnliches beschimpfen lassen müssen. Im Wiener Landessicherheitsgesetz sind daher Schutzzonen vorgesehen, die es der Polizei ermöglichen, Personen die Frauen vor Krankenhäusern und entsprechenden Kliniken belästigen wegzuweisen. Wer sich nicht daran hält muss mit einer Strafe von mehreren hunderten Euro rechnen. Die Wiener SPÖ-Landesorganisation ist aber auch weiterhin immer um Verbesserung der Situation für Frauen bemüht.

Mittlerweile ist ein Abbruch einer Schwangerschaft an vielen Orten der Stadt möglich, als Teil der Gesundheitsversorgung von Frauen. Wir setzen uns weiter dafür, dass möglichst viele öffentliche Spitäler und niedergelassene FachärztInnen für einen sicheren und gut zugänglichen Abbruch Sorge tragen.

Wir befürworten die Einrichtung von Schutzzonen im öffentlichen Raum, damit Frauen ungestört Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen im Bereich Sexualität und Reproduktion haben.

Ja. Die Wegweisungen sind ungenügend. Wir fordern daher ein konkretes Verbot, die Inanspruchnahme dieser Gesundheitsleistung zu behindern oder zu stören. Dieses Verhalten soll generell verboten werden, egal ob es immer die selben oder jedesmal andere Menschen an den Tag legen. Gleichzeitig löst sich das Problem bereits teilweise mit der Einrichtung mehrerer dezentraler Beratungsstellen, mit der Festschreibung des Abbruchs als Kassenleistung schreitet die Dezentralisierung weiter voran, die Belästigung in der derzeitigen Form wird damit unmöglich.

6.) Sexualerziehung und Verhütung: Moderne Sexualerziehung und einfacher Zugang zu Verhütungsmitteln sind wesentliche Grundlagen für ein selbstbestimmtes Sexualleben. Wie wollen Sie das Beratungsangebot und die öffentliche Aufklärung über Verhütung, reproduktive Rechte, sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten unterstützen und weiterentwickeln?

Frühe Sexualerziehung und Aufklärung ist uns seit jeher ein großes und wichtiges Anliegen. Die Stadt Wien fördert und unterstützt deshalb diese Bestrebungen, in dem zB eine „first love“-Ambulanz in der Rudolfsstiftung installiert wurde und stetig weiterentwickelt wird, die Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen viele Angebote setzt, Wiens Jugendarbeit europaweit Vorzeigemodell ist und hier wichtige Schwerpunkte setzt und wir als Wiener SPÖ-Landesorganisation diese Themen ansprechen und dazu aufklären bei Dialogaktionen im öffentlichen Raum, mit Bewusstseinskampagnen in den sozialen Medien oder auch bei Diskussionsveranstaltungen in unserem Frauenzentrum ega.

Wir sind für moderne Sexualerziehung die allen Jugendlichen in Wien zugute kommt. Diese sollte gemeinsam mit Expert*innen in Schulen und in der außerschulischen Jugendarbeit angeboten werden. Genauso wichtig sind spezialisierte Einrichtungen an die sich junge Menschen bei Fragen einfach und niederschwellig hinwenden können und die nach modernem Wissensstand beraten. Gerade für junge Menschen setzen wir uns für einen kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln ein. 

Junge Menschen sind von den negativen Effekten einer ungewollten Schwangerschaft besonders stark betroffen. Um diese vor einer solchen effektiv zu schützen und damit auch Abtreibungen zu verhindern, fordern wir, dass Verhütungsmittel wie Kondome oder die Pille für Minderjährige kostenfrei zur Verfügung stehen.

Dem stimmen wir von LINKS uneingeschränkt zu. In unserem Programm fordern wir daher Sexualpädagogik als fixen Lehrinhalt in allen Wiener Schulen. (sie darf nicht von der Initaitve der Lehrer*innen abhängen). Wir fordern außerdem die flächendeckende Bereitstellung von Kondomen in dezentralen Stellen in ganz Wien, die eine anonyme und unkomplizierte Abholung – gerade für Jugendliche – ermöglicht. Langfristig stehen wir auch hier für die vollständige Übernahme der Kosten verschiedener (sicherer) Verhütungsmethoden und einer umfassenden und individuellen Beratung als Versicherungsleistung.