Am 9. Juni 2024 werden auch in Österreich die Mitglieder des Europäischen Parlaments gewählt. 

Pro Choice Austria hat den Spitzenkandidat*innen der zur Wahl stehenden Parteien 5 Fragen zum Thema Schwangerschaftsabbruch und reproduktive Rechte im europäischen Kontext gestellt. 

Von 3 Parteien haben wir bis zum 27. Mai Antworten erhalten. Sollten noch Antworten eintreffen, werden wir sie ergänzen.

Grundsätzlich: Welche Rolle sollte Ihrer Meinung nach das Europäische Parlament bei der politischen Umsetzung von sexuellen und reproduktiven Rechten gegenüber den Mitgliedstaaten einnehmen?

SRHR (sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte, Anm.) sind Grundrechte und als solche müssen wir sie schützen! Wir fordern daher die sexuelle und reproduktive Gesundheitsversorgung und das Recht auf sichere und legale Abtreibung in die Charta der Grundrechte der EU aufzunehmen. Artikel 3 der Charta soll wie folgt geändert werden: „Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, auf einen freien, informierten, umfassenden und allgemeinen Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und den damit verbundenen Rechten sowie zu allen damit zusammenhängenden Gesundheitsdienstleistungen ohne Diskriminierung, einschließlich sicherer und legaler Abtreibung.“

Sexuelle und reproduktive Rechte sind Menschenrechte. Das Recht auf Abtreibung sollte daher auch in der EU-Grundrechte-Charta verankert werden. Außerdem sollte sich das Europäische Parlament gegenüber den Mitgliedsstaaten aktiv für die Umsetzung und Wahrung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, sowie der damit verbundenen Rechte und für einen EU-weit sicheren Zugang zu Abtreibung einsetzen.

Vereinbarte Rechte sollten garantiert werden können, eine potenzielle Kontrolle der Umsetzung durch die EU hilft sicherlich vielen Menschen. In manchen Bereichen gibt es nationale Spielräume, bei der Absicherung einzelner Bürger:innen über Staatsgrenzen hinweg gibt es aber noch Verbesserungspotenzial.

Derzeit wird unter dem Motto My Voice, My Choice eine Europäische Bürger*innen-Initiative durchgeführt. Wie stehen Sie zu dieser Initiative und ihren Forderungen? Was werden Sie tun, wenn die geforderten 1 Million Unterschriften erreicht werden?

Die SPÖ-Delegation im Europäischen Parlament setzt sich für den freien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen EU-weit ein und sieht es als großen Erfolg, dass im April 2024 mit großer Mehrheit eine entsprechende Resolution im Europäischen Parlament angenommen wurde. Darin fordern wir die Absicherung des Zugangs zu Abtreibung in der EU-Grundrechtecharta. Dieser Zugang ist ein Grundrecht und muss als solches in der EU-Grundrechtecharta verankert werden. Und es ist wichtig, dass alle EU-Mitgliedsstaaten Abtreibungen vollständig entkriminalisieren. Auch Österreich muss tätig werden. Der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch muss raus aus dem Strafgesetzbuch.

Jede Initiative, die ungewollt Schwangeren den Zugang zu sicheren Abbrüchen ermöglicht, ist zu unterstützen. Die Grünen werden sich natürlich auch in Zukunft für zusätzliche Maßnahmen und finanzielle Unterstützung einsetzen, damit Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen wollen oder müssen, das mit sicheren Abtreibungsbehandlungen innerhalb der EU tun können.

Sofern die Petition genügend Unterschriften bekommt, muss sich natürlich jeder dafür einsetzen, dass diese ordentlich behandelt wird. Wichtig in den Überlegungen zur Umsetzung ist aber, wie jeder Mitgliedstaat seine Aufgaben erfüllen kann.

Das European Parliamentary Forum for Sexual and Reproductive Rights weist darauf hin, dass finanzstarke und international vernetzte Anti-Choice-Gruppen aus dem christlich-fundamentalistischen Spektrum systematisch sexuelle und reproduktive Rechte attackieren. Wie stehen Sie zur Präsenz dieser Gruppen als offiziell registrierte Lobby-Organisationen im Europäischen Parlament?

Die SPÖ-Abgeordneten unterstützen den Aufruf der MEPs an Präsidentin Metsola, den Lobby-Badge für Anti-Gender-Movements/Antidemokratische-Movements zu entziehen, die durch ausländische Finanzierung europäische Werte untergraben wollen (insbesondere radikale, ultrakonservative NGOs).

Ich verurteile jeglichen Versuch und jedes Bestreben, den Zugang zu sicherer Abtreibung und das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, Privatsphäre und reproduktive und sexuelle Gesundheitsversorgung einzuschränken. Die EU muss in ihrer gemeinsamen Gesundheitspolitik die Interessen der Bevölkerung und nicht jene von Lobbyist:innen in den Mittelpunkt stellen.

Wie bei allen Lobbygruppen ist wichtig, dass sie klar erkenntlich sind und Abgeordnete dementsprechend ganz klar wissen, mit welcher Agenda sie zu tun haben. Andernfalls wäre zu befürchten, dass unreflektiert Inhalte übernommen werden.

Im April 2024 hat das Europäische Parlament den Rat aufgefordert, das Recht auf sichere und legale Abtreibung in die Charta der Grundrechte der EU aufzunehmen. Wie haben bzw. hätten Sie bei der Abstimmung zu dieser Entschließung votiert und warum?

Bei der Abstimmung zu dieser Entschließung haben die SPÖ-EU-Abgeordneten dafür gestimmt. SRHR (sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte, Anm.) sind Grundrechte und als solche müssen wir sie schützen!

Ich hätte dafür votiert, denn die Ausweitung und Absicherung der sexuellen und reproduktiven Freiheit und Rechte sind extrem wichtig. Das Recht auf Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch gilt seit der UN-Bevölkerungskonferenz 1994 als Menschenrecht und sollte daher auch in die Grundrechte-Charta der EU aufgenommen werden.

Die Charta der Grundrechte der EU sieht bereits das Recht auf körperliche Unversehrtheit vor und darunter kann sehr wohl auch das Recht auf selbstbestimmten Umgang mit seinem Körper verstanden werden. Traurig ist eher, dass die Vorgehensweise einiger Länder diese Abstimmung nötig gemacht hat.

2021 hat das Europäische Parlament den „Bericht über die Lage im Hinblick auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte in der EU im Zusammenhang mit der Gesundheit von Frauen“ (Matić-Bericht) angenommen. Der Bericht gilt als Meilenstein innerhalb der Diskussion um sexuelle und reproduktive Gesundheit und der damit verbundenen Rechte (SRGR) sowie um Frauenrechte. Wie haben bzw. hätten Sie bei der Abstimmung zum Matić-Bericht votiert und warum?

Selbstverständlich hat die SPÖ-Delegation auch bei dieser Abstimmung für den Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und der damit verbundenen Rechte gestimmt. Wir verurteilen die Rückschritte bei Frauenrechten und alle Versuche, den Schutz der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte sowie die Gleichstellung der Geschlechter einzuschränken oder abzuschaffen, einschließlich in den EU-Mitgliedstaaten.

Ich befürworte die Annahme des Matić-Berichts und hätte ebenso votiert. Er ordnet Abtreibung als Gesundheitsmaßnahme und Menschenrecht ein und fordert die Mitgliedstaaten auf, Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren und Hindernisse für legale Abtreibungen zu beseitigen. Wir treten unter anderem auch dafür ein, § 96 aus dem österreichischen Strafgesetz zu streichen.

Berichte, die in mühseliger Kleinarbeit erstellt werden, um einen nötigen Überblick zu schaffen, sollten selbstverständlich ernsthaft diskutiert werden und aus dem Inhalt politische Ableitungen gezogen werden. Berichte nicht zur Kenntnis zu nehmen, ist dementsprechend keine gute Lösung.