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50 Jahre Fristenregelung

Pro Choice Austria fordert Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in Österreich

Wien, 22.11.2023 – Am 29. November 1973 wurde im österreichischen Nationalrat die Fristenregelung beschlossen. Der Verein Pro Choice Austria – Plattform für freien Schwangerschaftsabbruch weist zum 50. Jahrestag am 29. November 2023 auf die schwerwiegenden gesundheits- und gleichstellungspolitischen Probleme hin, die die Fristenregelung in Österreich verursacht, und fordert eine Neuregelung.

Pamela Huck, Aktivistin bei Pro Choice Austria, schildert die Situation: „Ungewollt Schwangere stehen in Österreich vor vielen Hürden, wenn sie eine Schwangerschaft abbrechen wollen. Es gibt viel zu wenige Kliniken und Ordinationen, die Abbrüche durchführen. Dazu kommen die hohen Kosten von 330 bis fast 1000 Euro. Eine enorme Belastung ist außerdem die Tabuisierung und Stigmatisierung, verursacht durch das gesellschaftliche Umfeld und durch die Definition des Schwangerschaftsabbruchs als Straftat in Paragraph 96 StGB.“

Pro Choice Austria fordert daher:

  • Streichung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch
  • Übernahme der Kosten durch das öffentliche Gesundheitssystem
  • Flächendeckendes Angebot durch niedergelassene Ärzt*innen und Abbrüche in allen öffentlichen Krankenhäusern
  • Ende der Stigmatisierung

Gesundheits- und gleichstellungspolitische Probleme

  • Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkennt in ihrer Leitlinie zu Abortion Care (2022) den Schwangerschaftsabbruch als eine Leistung zur gesundheitlichen Versorgung von Frauen, die zugänglich, kostenlos und nicht kriminalisiert sein sollte. Einschränkungen oder gar ein Verbot des Schwangerschaftsabbruchs zwingen ungewollt Schwangere zu unsicheren und gesundheitsgefährdenden Verfahren und schränken Ärzt*innen in der Ausübung ihrer Tätigkeit ein.
  • Geschlechtergerechtigkeit ist unmöglich, so lange Frauen, Mädchen und queere Menschen mit Uterus nicht frei über Fortsetzung oder Abbruch einer Schwangerschaft und damit über den weiteren Verlauf ihres Lebens entscheiden können. Internationale Verträge wie CEDAW zur Gleichstellung der Geschlechter, zu deren Umsetzung Österreich verpflichtet ist, erfordern, dass Österreich den Schwangerschaftsabbruch entkriminalisiert und die Barrieren abbaut.

„Die Einführung der Fristenregelung hat vor 50 Jahren die Situation verbessert, aber heute ist sie nicht mehr zeitgemäß“, sagt Pamela Huck, Aktivistin bei Pro Choice Austria. „Ein Schwangerschaftsabbruch ist ein gängiges medizinisches Verfahren und einer der häufigsten gynäkologischen Eingriffe überhaupt. Ungewollt Schwangere haben ein Recht auf bestmögliche medizinische Versorgung durch das öffentliche Gesundheitssystem, ohne sich dafür schämen oder verstecken zu müssen.“

Veranstaltungshinweis

Medienaktion 50 Jahre Fristenregelung – Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafgesetz!

Termin: 29.11.2023, 10:00–11:00 Uhr, vor dem Parlament, Dr.-Karl-Renner-Ring, 1010 Wien

Bei der Medienaktion zerschneiden Teilnehmerinnen nach einer inhaltlichen Einordnung ein großes Banner, auf dem der Paragraf 96 StGB zu sehen ist. Danach folgt ein rhythmischer Sprechgesang mit den Forderungen für einen entkriminalisierten und selbstbestimmten Zugang.

Veranstaltet von einem breiten Bündnis rund um die Kampagne #AusPrinzip, Frauen*volksbegehren und One Billion Rising Austria. Pro Choice Austria steht für Interviews zur Verfügung. 

Die Fristenregelung

Die Fristenregelung wurde am 29.11.1973 im Nationalrat beschlossen und trat am 1.1.1975 in Kraft. Sie definiert den Schwangerschaftsabbruch in Paragraph StGB 96 als Straftat und legt für die ungewollt Schwangere selbst sowie für den ausführenden Arzt*die ausführende Ärztin Haft- bzw. Geldstrafen fest. Erst im darauf folgenden Paragraph StGB 97 sind Bedingungen genannt, unter denen diese Strafen unterbleiben – unter anderem, wenn der Abbruch in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft durchgeführt wird.

Rückfragen

Pro Choice Austria – Plattform für freien Schwangerschaftsabbruch
info@prochoiceaustria.at

Zur Schließung des pro:woman-Ambulatoriums

Seit Februar 2023 werden im pro:woman-Ambulatorium im Wiener Stadtzentrum keine Schwangerschaftsabbrüche mehr durchgeführt, die Klinik wird ohne Vorwarnung und transparente Begründung geschlossen. Die Versorgungslage in Wien wird dadurch eng.

Dass es die mangelhaften Rahmenbedingungen sind, die die Situation prekär werden lassen, liegt auf der Hand: der medizinisch sichere Schwangerschaftsabbruch steht noch immer im Strafgesetzbuch und die Wiener Stadtregierung verlässt sich ebenso wie die Bundesländer darauf, dass es am privaten Markt genug Angebot gibt. Die Versorgungssicherheit und -qualität ist somit vom Willen der Betreibenden abhängig.

Wir sind schockiert über diese Entwicklung und haben gemeinsam mit anderen Organisationen, die im Feld der reproduktiven Gesundheit tätig sind, eine Stellungnahme an die Öffentlichkeit und die Politik verfasst.

10/2020: Mahnwache gegen das Abtreibungsverbot in Polen

Dienstag, 27.10.2020, 18:30 Uhr, Platz der Menschenrechte, Mariahilferstraße 2, 1070 Wien

In Polen, das bereits eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas hatte, entschied ein Verfassungsgericht, dass Schwangerschaftsabbrüche bei fötalen Missbildungen gegen die Verfassung verstoßen – und verhängte damit de facto ein Abtreibungsverbot. Mit diesem skandalösen Urteil werden Frauen dazu gezwungen, eine Schwangerschaft unter allen Umständen auszutragen. Die Gerichtsentscheidung kann nicht angefochten werden. Aber wir können und werden gegen sie protestieren – in Polen, in Österreich, in Europa. Als sichtbares Zeichen gegen diesen fundamentalen Eingriff in die reproduktiven Selbstbestimmungsrechte von Frauen laden wir zu einer Mahnwache ein. Bei den hart erkämpften Frauenrechten darf es keine Rückschritte geben. Nicht in Polen, nicht in Österreich, nirgendwo. Hier werden wir keinen Millimeter weichen. Komm auch du und zeige Solidarität! Bitte ausschließlich mit Mund-Nasen-Schutz und unter Einhaltung der Abstandsregeln! Bringt Kleiderbügel und Kerzen mit!

 https://www.facebook.com/events/640857856611694 

Gastgeber*innen: Meri Disoski, SPÖ Frauen, an.schläge, Ciocia Wienia, AÖF – Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser, Grüne Frauen Österreichs, Österreichischer Frauenring, Pro Choice Austria, Keinen Millimeter, Allianz Gewaltfrei Leben, Frauen*volksbegehren, Kongres Polskich Kobiet w Austrii

10/2020: Protest gegen „Marsch für das Leben“

Am Samstag, 17. Oktober protestierten wir unter dem Motto „Marsch fürn Arsch“ gemeinsam mit anderen Feminist*innen und Antifaschist*innen gegen den christlich-fundamentalistischen „Marsch für das Leben“.

Wer hinter dieser Anti-Choice-Veranstaltung steckt, lest Ihr auf moment.at.

2020: Landtagswahl in Wien

Kurz vor der Wahl zum Wiener Gemeinderat am 11. Oktober 2020 hat Pro Choice Austria gemeinsam mit Changes for Women folgende sechs Fragen zu reproduktiven Rechten und Schwangerschaftsabbruch an die wahlwerbenden Parteien gestellt.

Unter jeder Frage findet ihr die Antworten der Parteien, unbearbeitet und ungekürzt. Von FPÖ, ÖVP, Team HC, BIER und SÖZ haben wir keine Rückmeldung erhalten.

1.) Rechtliche Lage: In Österreich sind Schwangerschaftsabbrüche illegal, bis zum dritten Schwangerschaftsmonat jedoch straffrei. Ungewollt Schwangere und Ärzt*innen werden mit Haft- bzw. Geldstrafen bedroht, wenn sie abtreiben. Werden Sie sich dafür einsetzen, das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch zu entfernen? Wenn ja, wie?

Von Seiten der Sozialdemokratischen Partei ist die Position klar: Frauen haben ein Recht auf Selbstbestimmung – dieses Recht muss unangetastet bleiben. Eine Herausnahme der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch ist anzudenken und entspricht der Beschlusslage der SPÖ. Prioritär ist allerdings, allen Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch benötigen den sicheren und leistbaren Zugang zu ermöglichen.

Ja, dafür setzen wir uns auf Bundesebene ein. Das ist Teil des Grünen Frauenprogramms. Wir setzen uns weiterhin für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ein.

Beim Thema Abtreibung halten wir den österreichischen Weg für eine – auch im internationalen Vergleich – gute Lösung. Diese leugnet die Probleme nicht und gibt Frauen die Möglichkeit, diese oft schwierige Entscheidung zu treffen. Wir streben keine Änderung der derzeitigen Rechtslage an.

Die psychischen und körperlichen Belastungen, die ein Schwangerschaftsabbruch mit sich bringt, sind oft enorm. Zusätzliche rechtliche, soziale und moralische Erschwernisse sind schlichtweg unmenschlich. Daher sollten Abbrüche raus aus dem Strafgesetzbuch und wie jeder andere medizinische Eingriff auf Kosten der Krankenkassen erfolgen. Dafür steht LINKS und wird nicht aufhören auf politischer und aktivistischer Ebene zu kämpfen, bis das erlangt ist.

2.) Versorgung: Viele ungewollt Schwangere reisen nach Wien, weil sie in ihrem (Bundes-)Land keinen Abbruch durchführen lassen können. Was werden Sie tun, damit das Angebot für sichere Abbrüche weiter ausgebaut wird? Wie werden Sie auf Politiker*innen in anderen (Bundes-)Ländern einwirken, um die dortige schlechte Versorgung zu verbessern?

Die Sozialdemokratische Partei setzt sich seit jeher dafür ein, dass Frauen selbstbestimmt über ihren eigenen Körper entscheiden können und Zugang zu bester und leistbarer Gesundheitsversorgung haben. Das gilt nicht nur für Wien, sondern auch für alle anderen Bundesländer. Wien ist dabei immer Fürsprecherin für eine weitere, gute Versorgung in den anderen Teilen Österreichs. Viele Willensbekundungen kommen mit Anträgen aus der Wiener SPÖ-Landesorganisation oder dem Wiener Gemeinderat immer auch zu den entscheidenden Gremien auf Bundesebene, sei es eben parteiintern als auch ins Parlament.

Auf Initiative der Grünen wurde im Juli 2020 der Zulassungsbescheides für das Medikament Mifegyne (Wirkstoff Mifepreston) geändert. Nunmehr ist möglich, das niedergelassen FachärztInnen den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch verschreiben können. Das ist ein Meilenstein für die Frauengesundheit in Österreich, da der bisher häufiger angewandte Abbruch per Operation im Spital durch die Narkose ein höheres Risiko für  die Frauen beinhaltet hat. 

Die Möglichkeit, ungewollte Schwangerschaften durch Schwangerschaftsabbrüche zu beenden, muss für jede Frau in Österreich bestehen, und zwar unabhängig von ihrem Wohnsitz. Gerade im ländlichen Raum ist diese Möglichkeit in Österreich realiter häufig nicht gegeben. Wir fordern, dass es eine adäquate Unterstützung und die Möglichkeit der Behandlung in jedem öffentlichen Krankenhaus geben muss. In diesem Zusammenhang befürworten wir die neue Regelung, dass die Abtreibungspille Mifegyne nun auch von niedergelassenen Ärzten verschrieben werden kann. Zuvor wurde sie nur in Krankenhäusern abgegeben. So ist die medizinische Versorgung auch zB in Krisenzeiten wie aufgrund von Covid-19 und in ländlichen Gebieten gesichert.

Solange die Forderung von Schwangerschaftsabbrüchen als Kassenleistung nicht umgesetzt ist, setzt sich LINKS dafür ein, dass seitens der Stadt Wien anonyme und öffentliche Beratungszentren geschaffen und finanziert werden, die Abbrüche durchführen. Ob in der Stadtregierung oder der Opposition: Für uns ist das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper ein Kernthema. Als junge (Gründung im Jänner), bisher nur in Wien verankerte Partei ist unser Einfluss auf Politiker*innen anderer (Bundes)länder gering. Dennoch werden wir alles in unserer Macht stehende tun, um dieses Grundrecht überall durchzusetzen.

3.) Kosten: Die hohen Kosten für einen Abbruch sind eine enorme Belastung für ungewollt Schwangere. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Abbruch eine öffentlich finanzierte Gesundheitsleistung wird? Wenn ja, wie? Welche finanzielle Unterstützung wollen Sie ungewollt Schwangeren in der Zwischenzeit zur Verfügung stellen?

Eine Frau kann nicht dazu verpflichtet werden, ein Kind auszutragen, obgleich es ihre ökonomischen oder privaten Umstände schlichtweg nicht ermöglichen. Es ist ihr Körper, ihr Leben und damit ihr persönlicher Entschluss. Sie entscheidet, ob sie ein Kind will, oder nicht bzw. ob es in ihrer jetzigen Lebensrealität passt, ein Kind zu bekommen. Und deshalb muss anerkannt werden, dass – genauso wie eine ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft – auch das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch im Falle einer ungewollten Schwangerschaft als Teil der medizinischen Grundversorgung gewährleistet sein muss! In Wien gibt es Unterstützung für Frauen, die in einer finanziellen Notlage sind.

Ja, das sollte die Krankenkasse künftig übernehmen. 

Die freie Entscheidung einer Frau, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, darf nicht von ihrer finanziellen Lage abhängig sein. Sexuelle und körperliche Selbstbestimmung muss oberstes frauenpolitisches Ziel sein. Schwangerschaftsabbrüche sollen daher von der Krankenversicherung getragen werden.

LINKS fordert wie gesagt den Schwangerschaftsabbruch zur Kassenleistung zu machen. Das ist eine unbedingte Notwendigkeit, die nicht oft genug unterstrichen werden kann. Bis dieser jedoch umgesetzt ist, sollen die oben angesprochenen anonymen städtischen Beratungszentren selbstverständlich kostenlos Abbrüche durchführen. Darüber hinaus fordert LINKS, dass neben rein physischer Betreuung auch eine psychologische Begleitung allen Betroffenen sehr niederschwellig zur Verfügung steht – und das kostenlos und mehrsprachig.

05/2020: Protestaktion zum 1. Mai

Wie das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung in Deutschland, rufen auch wir anlässlich des 1. Mai zu Protestaktionen für sexuelle Selbstbestimmung auf. Der Kampf für den freien Schwangerschaftsabbruch ist eine Klassenfrage, die am 1. Mai Thema sein muss!

Stellungnahme zur parlamentarischen Bürgerinitiative 54/BI 24. GP (“#FAIRÄNDERN”)

Pro Choice Austria – Plattform für freien Schwangerschaftsabbruch versteht sich als Teil der internationalen Pro-Choice-Bewegung, die weltweit für den freien und sicheren Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen kämpft. Gesundheit und Selbstbestimmung der Schwangeren stehen dabei im Zentrum und leiten die politische Arbeit. Vor diesem Hintergrund geben wir folgende Stellungnahme ab:

Offizielle Statistik und anonyme Motivforschung zu Schwangerschaftsabbrüchen in Österreich

Angaben zur Anzahl der Abtreibungen in Österreich beruhen auf Schätzungen. Dies liegt daran, dass Patientinnen den Eingriff zur Gänze selbst bezahlen müssen. Eine Statistik wäre bei Kostenübernahme durch die öffentliche Hand (z. B. Krankenkassen), wie Pro Choice Austria sie fordert, automatisch erreicht. Dies wäre ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand einfach umzusetzen.

Mehrwert durch zusätzliche anonyme Motivforschung ist nicht ersichtlich, da zu den Ursachen ungewollter Schwangerschaften und den Motiven für die Entscheidung zur Abtreibung bereits zahlreiche Studien sowie Expert_innenwissen aus der Praxis vorliegen. Siehe dazu: http://abtreibung.at/fur-allgemein-interessierte/ursachen/

Festzuhalten ist, dass keine zusätzlichen bürokratischen Hürden oder andere Hindernisse errichtet werden dürfen, die Ärzt_innen davon abschrecken, die notwendige Gesundheitsleistung Abtreibung anzubieten und durchzuführen, oder die ungewollt Schwangere in ihrer freien Entscheidung beeinträchtigen, eine Schwangerschaft abzubrechen oder fortzusetzen. Zu solchen Hindernissen gehört auch die Stigmatisierung durch Fragen zum höchstpersönlichen Lebensbereich und zu den Gründen für die Entscheidung.

Hinweispflicht des Arztes auf Unterstützungs- und Beratungsangebote für schwangere Frauen

Beratungsstellen für Familienplanung, Frauengesundheitszentren, Familienberatungsstellen und sonstige psychosoziale Beratungsangebote, in denen freiwillig Klärungsgespräche in Anspruch genommen werden können, sind in Österreich bereits vorhanden – ihnen wurden jedoch die Förderungen gekürzt. Pro Choice Austria begrüßt es ausdrücklich, wenn diese Kürzungen zurückgenommen werden. Zu den Kürzungen siehe beispielsweise: https://derstandard.at/2000083130532/Regierung-streicht-Familienberatungsstellen-Geld

Wenn Ärzt_innen über freiwillige, ergebnisoffene Beratungsangebote Bescheid wissen und ungewollt Schwangere auf Wunsch darüber informieren können, ist dies zu begrüßen. Zum Schutz der psychischen Gesundheit der Schwangeren ist es jedoch notwendig sicherzustellen, dass diese Angebote nicht in eine bestimmte Richtung mit einem gewünschten Ergebnis beraten.

Eine Hinweispflicht der Ärzt_innen ist nicht erforderlich bzw. sinnvoll, da 98 % der Schwangeren bereits die Entscheidung getroffen haben, ob sie die Schwangerschaft abbrechen oder fortsetzen, wenn sie eine_n Ärzt_in aufsuchen. Siehe dazu auch die Stellungnahme von DDr. Fiala und Mag.a Petra Schweiger: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/SBI/SBI_00075/imfname_736987.pdf

Die Ansicht, dass ungewollt Schwangere verpflichtende Beratung brauchen würden, spricht ihnen die Mündigkeit ab, vernünftige und wohlüberlegte Entscheidungen treffen zu können. Tatsächlich sind 95 % der Betroffenen auch 3 Jahre nach einem Abbruch noch sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, siehe: https://www.gynmed.at/sites/default/files/publications/pro_familia_magazin_2015-4_schweiger.pdf

Aus diesem Grund ist auch jegliche zusätzliche Pflichtberatung durch Dritte (Beratungsstellen für Familienplanung, Frauengesundheitszentren und sonstige psychosoziale Beratungsangebote) unbedingt abzulehnen.

Wie bei jedem medizinischen Eingriff werden Patient_innen auch vor einem Schwangerschaftsabbruch ärztlich aufgeklärt. Dabei werden sie über das verwendete Verfahren, den Verlauf, die Risiken und die möglichen Folgen informiert. Ein von Ärzt_innen durchgeführter Schwangerschaftsabbruch ist sehr sicher und verursacht in der Regel weder körperliche noch psychische Schäden. Es ist daher aus medizinischen Gründen nicht notwendig, eine zusätzliche Pflichtberatung vorzuschreiben.

Ob es in ihrer Lebenssituation möglich ist, eine Schwangerschaft auszutragen oder nicht, wissen Schwangere selbst am besten. Eine zusätzliche verpflichtende Beratung kann folgende negative Konsequenzen haben und ist daher abzulehnen:

  • Wenn sie einen notwendigen Abbruch verzögert und Schwangere dadurch nicht so schnell wie möglich die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten (körperliche und psychische Gesundheit).
  • Wenn Schwangere unter moralischen Druck gesetzt werden und versucht wird, sie zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu drängen (psychische Gesundheit).

Bedenkzeit zwischen Anmeldung und Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches

Schwangere entscheiden nicht spontan, sondern wohlüberlegt, ob sie einen Abbruch durchführen lassen oder nicht. Im Zweifel beraten sie sich mit vertrauten Personen und/oder ihren Ärzt_innen.

Wie lange sie brauchen, um ihre Entscheidung zu fällen, ist ganz individuell. Schwangere sind jedoch hervorragend in der Lage, diese Entscheidung zu treffen: 98 % der Schwangeren suchen eine_n Ärzt_in auf, wenn sie sich bereits entschieden haben, ob sie die Schwangerschaft abbrechen oder fortsetzen wollen.

Eine gesetzlich erzwungene Wartefrist zwischen dem Erstgespräch und dem Abbruch würde Schwangeren lediglich Hindernisse in den Weg stellen, ihr Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper wahrzunehmen:

  • Im Rahmen der Fristenlösung kann eine gesetzlich erzwungene Wartefrist im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Frist überschritten wird, in der ein Abbruch straflos möglich ist. Das wäre eine starke Einschränkung des Zugangs zu Abtreibung „durch die Hintertür“, die absolut abzulehnen ist.    
  • Schwangere können unter starken gesundheitlichen Problemen (Übelkeit, Erbrechen, Kreislaufprobleme etc.) leiden, die durch eine Wartefrist unnötig verlängert würden.    

Eine erzwungene Wartefrist macht es notwendig, mehrere Termine wahrzunehmen. Dies ist in jedem Fall eine hohe Belastung, die folgende Gruppen besonders stark trifft:

  • Für manche Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen ist es schwierig bzw. mit hohem Aufwand verbunden, zu Terminen anzureisen.    
  • Für prekär Beschäftigte ist es schwierig, innerhalb kurzer Zeit mehrere Termine während der Arbeitszeit wahrzunehmen.
  • Schwangere, die keinen Zugang zum Abbruch in der Nähe ihres Wohnortes haben, müssen eine lange Anreise mit hohen Kosten plus Übernachtung auf sich nehmen. In Tirol und Vorarlberg führt beispielsweise kein öffentliches Krankenhaus Abtreibungen durch.
  • Wer kleine Kinder oder andere Angehörige versorgt, ist ebenfalls benachteiligt.

In keinem anderen medizinischen Bereich müssen Patient_innen eine gesetzlich erzwungene Wartefrist auf sich nehmen, bevor sie eine notwendige medizinische Leistung erhalten. Schwangerschaftsabbruch darf, als Teil der medizinischen Basisversorgung, ebenfalls nicht mit einer gesetzlich erzwungenen Wartefrist verbunden sein.

Informationskampagne über Adoption/Pflege als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch

Eine ungewollte Schwangerschaft gegen den eigenen Willen auszutragen und das Neugeborene anschließend zur Adoption freizugeben, ist nicht zumutbar. Ein Gebärzwang ist ausnahmslos als Gewalt einzustufen. In einer öffentlichen Kampagne zur Information über Adoption und Pflege dürfen diese daher nicht als (womöglich auch noch „bessere“) Alternativen zum Abbruch dargestellt werden. Jede Verbindung zum Thema Schwangerschaftsabbruch ist zu vermeiden.

Schwangere entscheiden sich für eine Abtreibung, weil sie in ihrer Lebenssituation notwendig ist. Um diese Entscheidung ohne Angst vor Diskriminierung treffen zu können, darf der Schwangerschaftsabbruch nicht als „schlechtere Wahl“ stigmatisiert werden.

Abschaffung der eugenischen Indikation

Der Begriff “eugenische Indikation” ist sachlich nicht korrekt, sondern stark polemisierend und daher abzulehnen. Die Bezeichnung “embryopathische Indikation” ist richtig, wie Peter Husslein, Leiter der gynäkologischen Abteilung im AKH klarstellt: https://www.falter.at/archiv/FALTER_20190313D7B6035ABA/das-ziel-ist-den-legalen-schwangerschaftsabbruch-zu-fall-zu-bringen

Die Forderung nach Abschaffung der embryopathischen Indikation wird nach einhelliger Meinung von Expert_innen nicht das deklarierte Ziel erreichen, dass behinderte Menschen in unserer Gesellschaft weniger diskriminiert werden. Im Gegenteil: Föten mit zweifelhafter Diagnose werden häufiger abgetrieben, weil im Rahmen der Fristenregelung die Zeit für eine gründliche medizinische Abklärung fehlt. Nochmals Husslein:

“Während einer Schwangerschaft ist der erste Zeitpunkt, bei dem man Hinweise auf mögliche Fehlbildungen erhält, das sogenannte Ersttrimesterscreening im ersten Drittel der Schwangerschaft. Das wird zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche gemacht. Diese Untersuchung ist zwar schon sehr gut, aber trotzdem stellen sich rund drei Viertel der Verdachtsfälle auf eine Fehlbildung im Laufe der weiteren Schwangerschaft als falsch heraus. Denn je weiter das Ungeborene entwickelt ist, desto bessere Prognosen können wir Ärzte machen. Derzeit können wir der Frau sagen, wir warten noch ein bisschen ab, machen weitere Untersuchungen und dann kann sie sich immer noch entscheiden. Wenn uns der Gesetzgeber diese Möglichkeit nimmt, wird ein großer Teil der Frauen, die mit einem solchen Verdacht konfrontiert sind, sagen, dann gehe ich lieber kein Risiko ein und treibe gleich ab, weil jetzt ist das noch legal. Wer die medizinische Indikation streicht, macht sich deshalb verantwortlich für das schuldhafte Versterben von sehr vielen gesunden Föten.”

Es gibt daher nur eine sinnvolle Lösung: Die völlige und ersatzlose Streichung der Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch (§§ 96-98). Die Regelungen zur Vorgehensweise sind ausschließlich im Medizinrecht zu verankern.

Die Instrumentalisierung von Menschen mit Behinderungen durch Abtreibungs-Gegner_innen ist scharf zurückzuweisen – erst recht solange sich der vermeintliche “Lebensschutz” hauptsächlich auf Embryonen und Föten in Uteri und nicht auf würdige Existenzbedingungen für bereits lebende Frauen, Familien, Menschen mit Behinderungen etc. bezieht.

Breitgefächertes Beratungs- und Unterstützungsangebot für Eltern, die ein Kind mit Behinderung erwarten

Dem Thema sollte sich über Diskussion der Pränataldiagnostik, sensible und freiwillige Beratungsangebote, Unterstützung von Familien mit beeinträchtigten Kindern sowie gesamtgesellschaftliche Inklusion und nicht über das Strafrecht genähert werden.

Pro Choice Austria steht in voller Solidarität mit der Forderung “selbstbestimmt leben” der Behindertenbewegung. Um ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderung jeden Alters und ihre Angehörigen zu ermöglichen, sind in erster Linie Maßnahmen der sozialen Sicherung, der Teilhabe und der Infrastruktur erforderlich.

Diese Forderungen liegen seit langer Zeit vor. Die Schritte der derzeitigen Bundesregierung weisen in eine andere Richtung. Die finanziellen Einbußen, die Familien mit behinderten Kindern durch die neue “Sozialhilfe” erleiden, sind existenzbedrohend. Sie stehen der Forderung “selbstbestimmt leben” diametral entgegen.

Es ist vorstellbar, dass sich manche Schwangere für das Austragen eines behinderten Kindes entscheiden, wenn soziale Absicherung vorhanden ist. Zwischen dem Recht auf Schwangerschaftsabbruch und der Verbesserung von Lebensbedingungen von behinderten Menschen und ihren Familien besteht jedoch kein sachlicher Zusammenhang, der dementsprechend auch nicht künstlich konstruiert werden sollte.

Fakt bleibt, dass viele Väter ihre Verpflichtungen gegenüber einem behinderten Kind nicht wahrnehmen und die Familie verlassen. Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden und ihren Kindern – ohnehin schon enorm hoch – ist im Fall einer Behinderung nochmals höher. Von der psychischen Belastung durch die Stigmatisierung von Behinderten, die unzureichende Infrastruktur und den hohen bürokratischen Aufwand ganz zu schweigen. Jede Verbesserung dieser untragbaren Situation wird die Unterstützung von Pro Choice Austria finden.

Fazit

Für Pro Choice Austria hat das Selbstbestimmungsrecht oberste Priorität. Dieses aus Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention abgeleitete Grundrecht beinhaltet auch die Freiheit, über den eigenen Körper sowie Fortsetzung oder Abbruch einer Schwangerschaft zu entscheiden. Siehe dazu auch die ausführliche Stellungnahme von Amnesty International zur Bürgerinitiative 54/BI 24. GP: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/SBI/SBI_00094/imfname_747263.pdf

Für diese Entscheidungsfreiheit müssen die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Jegliche Einschränkungen sind daher strikt abzulehnen.

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